Diese Tour hatten mein Freund Mischa und ich schon lange geplant und immer wieder verschoben. „Optimale Vorbereitung“ hieß unser Motto Angefangen vom Training bis hin zur Terminwahl sollte alles passen. Schließlich einigten wir uns auf Fronleichnam, was sich schon nach den ersten Kilometern als Fehler erweisen sollte, denn dieser Tag ist in Baden-Württemberg und Bayern ein Feiertag. Das stellte vor allem bei der Getränkeversorgung ein ziemliches Problem dar, denn wir konnten unsere Vorräte nur an Tankstellen ergänzen. Am Vorabend des Tourenstarts gab es noch einmal eine Riesenportion Spaghetti und dann ging es (Mit vollem Magen! - Bitte nicht nachmachen!) ab, in die Federn.
Pünktlich um 5 Uhr klingelte der Wecker. Es gab ein anständiges Sportlerfrühstück, bestehend aus einer großen Schüssel Müsli und reichlich Tee. Der „Startschuss“ fiel dann um 6 Uhr. Voller Elan traten wir in die Pedale, in der Morgenkühle sah der Tag sehr vielversprechend aus.
Die ersten 100km über Nördlingen, Öttingen, Gunzenhausen und Schwabach stellten keine besondere Herausforderung dar. Die gelegentlichen Steigungen absolvierten wir problemlos und trafen (inlusive kleinerer Pausen) nach ca. 4 Stunden in Nürnberg ein. Die Durchschnittsgeschwindigkeit lag bei 31km/h, was möglicherweise auch ein wenig dem Rückenwind zuzuschreiben war, der uns sanft vor sich her schob. Nachdem sich morgendliche Kühle gewichen war, brannte die Sonne nun mit aller verfügbaren Macht auf unse herab. Schon nach 60 Kilometern, gegen 8:30 Uhr und auf Höhe Gunzenhausen, hatten wir uns mit Sonnencreme gegen die sengende Hitze schützen müssen. Wohl wissend, dass der schwierigere Teil der Strecke noch vor uns lag, hatten wir uns bisher weitgehend geschont. Dennoch waren wir mit der erreichten Zeitleistung nicht unzufrieden. Um die Getränkeversorgung war es allerdings schlecht bestellt.
Stadtverkehr, noch dazu in einer schlecht ausgeschilderten Großstadt wie Nürnberg, ist für jede Tour eine echte Prüfung. Umleitungen, dichter Verkehr und massenweise Ampeln lauerten dort auf uns. Leider ließ sich aber diese Stadtdurchfahrt nicht vermeiden, wenn wir nicht einen gigantischen Umweg in Kauf nehmen wollten. Der einzige Vorteil der Innenstadt lag in der großen Anzahl von Tankstellen, an denen wir uns wieder „bewässern“ konnten. Unter der glühenden Mittagssonne verließen wir Nürnberg und setzten unsere Fahrt auf der B2 in Richtung Hof fort. Etwa 180 Kilometer lagen noch vor uns.
Obwohl wir wussten, dass die B2 das Fichtelgebirge lediglich streift, konnte ich mich des Eindruckes nicht erwehren, wir würden die Berge komplett durchqueren. Die kurzen Abfahrten, die in keinem Verhätnis zu den zahlreichen und langgestreckten Anstiegen auftauchten, boten kaum Gelegenheit zu einer Regeneration. Gerade 30km hinter Nürnberg und noch weit von unserer nächsten Station, Pegnitz, entfernt, kamen mir schon die ersten ernsthaften Zweifel, ob unser monatelanges, hartes Training ausreichen würde, diese Mammutstrecke zu bewätigen. Die Zahl der benötigten Pausen stieg und wir begannen, uns um die Einhaltung des Zeitplanes zu sorgen. Keiner von uns beiden hatte Erfahrung mit Strecken dieser Dimension. So war es dann auch bereits 15 Uhr, als wir Bayreuth erreichten. Die Uhr zeigte 16:30 Uhr, als wir den Bindlacher Berg erklommen. Auf dessen Gipfel angekommen, lernten wir bei einer kleinen Erholungspause einen Rentner kennen, der ebenfalls mit dem Rad auf Tour war. Man kann sich sicher vorstellen, wie wir Augen und Ohren aufsperrten, als er erzählte, dass er bereits 5000km zurückgelegt habe. -Was für eine Leistung!
Die drückende Schwüle, die uns schon die ganze Zeit über zu schaffen gemacht hatte, trog nicht. Sehr deutlich konnten wir die ersten Regen- und Gewitterwolken in der Ferne ausmachen, die schnell herangetrieben wurden. Bis kurz vor Hof blieben wir aber noch verschont.
Als wir in Hof einfuhren, waren wir vollkommen durchweicht und das letzte Tageslicht schwand. Das Gesäß fühlte sich wie ein aufgeblasener Plastikbeutel an und die Muskeln gaben kaum noch Leistung her. Dennoch, die Heimat war in greifbare Nähegerückt und wir strampelten mit schmerzenden Gliedmaßen die B173 entlang. Dieser Streckenabschnitt war vertraut, so dass wir die letzten Kraftreserven gut einteilen konnten. Endlich geschafft! - Als wir endlich, im Dunkeln, in Stöckigt ankamen, fühlten wir uns mehr tot, als lebendig. Kein Gedanke an etwaige weitere Touren in nächster Zeit… Trotzdem hatten wir einen riesigen Spaß und eine wunderbare Chance, die Grenzen unserer derzeitigen Leistungsfähigkeit auszuloten.
Und auch das Training hatte sich ausgezahlt. Noch nicht einmal einen Tag später hatte ich mich wieder so weit erholt, dass ich begann, neue Tourenpläne zu schmieden, bei deren Realisierung uns die Erfahrungen dieser Fahrt gute Dienste leisten würden.